WTF is Tuntentinte?!

Die Tuntentinte ist untrennbar mit der Homolandwoche verbunden, ein „halbjährliches Ereignis im April bzw. September bei dem sich Homos treffen, die sich als autonome Schwule, linke Schwuchteln, schwule Linke oder so ähnlich bezeichnen, um über Taktik und Strategie und Persönliches zusammen zu diskutieren, um spazieren zu gehen, Croquette zu spielen …“ (Nr. 9).

In der Nullnummer wird als Beweggrund für ein eigenes, schriftliches Organ angeführt: „Die Idee zu diesem Rundbrief ist aus der Unzufriedenheit darüber entstanden, daß viele Diskussionen, die zu schwulen Themen im besonderen und im allgemeinen geführt werden, kein Forum haben, wenige unsere informellen Kontakte verlassen und für Außenstehende wenig nachvollziehbar sind. Der Sinn dieses Rundbriefes soll also darin bestehen,
• ein Forum für Diskussionen linker radikaler Schwuler zu schaffen
• eine verbindlichere Diskussion zu führen, die durch die Form des Rundbriefes hoffentlich vielen interessierten Leuten transparent gemacht werden kann
• einzelne Themen auch städteübergreifend jenseits der Landwoche diskutieren zu können
• und nicht zuletzt auch neue inhaltliche Impulse für die Landwoche zu geben, ein Forum für die inhaltliche Vor- und Nachbereitung zu schaffen (im Idealfall)“.

So erblickte die erste Ausgabe der Tuntentinte im November 1994 das Licht, und bis (mutmaßlich) Ende 2003 sollten 23 weitere Ausgaben folgen. Anfangs in Frankfurt a.M. hergestellt, erschien die Tuntentinte alle zwei Monate, ab Nr. 3 wechselte die Redaktion und Postadresse dann in die Herausgeber*innenschaft des Instituts zur Verzögerung und Beschleunigung der Zeit nach Berlin, ab Nr. 19 war sie in Hannover beheimatet. Wurden 1995 noch fünf Ausgaben produziert, reduzierte sich diese Zahl in den Folgejahren und pendelte sich ab 1999 auf 1-2 Ausgaben pro Jahr ein. Die Auflage war immer winzig klein, zu Hochzeiten betrug sie 800 Exemplare (ab der Nr. 17), auch wenn von einer wesentlich breiteren Leser*innenschaft ausgegangen werden kann – und mit diesem Blog ohnehin 😉.

Banner mit Text: "Lebt & Lest Tuntentinte"Die Tuntentinte hatte stets ihren eigenen Charme und Witz, Theorie- und Diskussionsbeiträge lösten sich mit Kochrezepten, Rätseln, Sammelbildern, Comics und Foto-Love-Stories ab. Geschrieben wurde auf Deutsch. Es gab Beiträge aus Deutschland, den Niederlanden, Frankreich und der Schweiz. Vertrieben wurde sie in Deutschland, Österreich, der Schweiz, den Niederlanden und Frankreich über Infoläden, linke Buchläden, autonome Wohn- und Kneipenprojekte, Bauwagenplätze und Privatpersonen.

Verhandelte Themen waren u.a. Homofeindlichkeit in der Linken, Homofeindlichkeit in der deutschen und anderen Gesellschaften, Kritik an Mainstream-schwullesbischer Politik, BDSM, Kommunismus, Coming-out, Antimilitarismus, Antifaschismus, sexualisierte Gewalt, Pädosexualität, homosexuelle NS-Opfer, Prostitution, Patriarchat, Erotik und Pornografie, Antisemitismus, Freundschaft, queer, Wohnformen und Identitätspolitiken. Es gab zudem eine erstaunlich frühe Thematisierung von Inter- und Transgeschlechtlichkeit, was sich auch in der Einladungspolitik der Homolandwoche manifestierte, die ab Mitte der 2000er explizit auch Transmänner einlud: „Die Homolandwoche ist seit jeher ein Treffen von süßen Punkern, perversen Autonomen, ALG2-Tunten, schwulen Transmännern, linken Homos und widernatürlich veranlagten Studenten“.

War die Tuntentinte anfangs noch eine getackerte Sammlung von DIN A4-Blättern, teilweise handgeschrieben und mit vielen Nachdrucken aus anderen Zeitschriften, fand eine stete Professionalisierung statt. Nach 3 Jahren, ab Ende 1997 (Nr. 12), gab es fortan Schwerpunktausgaben mit komplett eigenen Texten und einem professionellen, vereinheitlichten Layout. Zum neuen Konzept heißt es zwei Ausgaben später: „Konzipiert als Rundbrief der Homolandwoche, einem halbjährlichen Treffen linker und linksradikaler Schwuler, sollte sie ein Austauschorgan zwischen den Homolandwochen sein. Ziel war, eine städteübergreifende Diskussion zu ermöglichen, nicht bloß für Teilnehmer der Landwoche. Diese Diskussionen wurden für Außenstehende immer weniger nachvollziehbar. Umgekehrt erschien vielen der Rahmen der Tuntentinte als zu offiziell und anonym, um darin Persönliches mitzuteilen. Um diesen zwei unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht zu werden, haben wir das Konzept seit ca. einem Jahr verändert“. Fortan gab es den bereits erwähnten Schwerpunkt, Themen außerhalb des Schwerpunkts (aktuell Politisches, schwule/lesbische/queere Diskussionen jenseits des Mainstreams), feste Rubriken (Rezepte, Rätsel, radi.OA.ton-Serviceseite, Kolumne) und Homoland im Spiegel (Diskussionen, AGs, Einladung, …).
Ebenfalls ab der Nr. 12 gab es den „Intimteil“, der auf andersfarbigem Papier nur an die Abonent*innen ging, die an den letzten beiden Homolandwochen teilgenommen hatten. Um diesen „zu verstehen, ist es nötig, die Diskussion auf den Homolandwochen über längere Zeit verfolgt zu haben. Sie soll auch die vertraute Atmosphäre herstellen, in der ein sehr persönlicher Umgang mit dem Erlebten möglich ist“, heißt es in der Nr. 13.

Eine erneute Wendung nahm die Tuntentinte mit einer neuen Redaktion Anfang 2001 mit der Nr. 19. Diese saß in sieben verschiedenen Orten und hatte ihre Postadresse in Hannover. Herausgegeben wurde die Zeitschrift nunmehr vom Kosmetischen Institut für die innere Schönheit der Tunte und dem Komitee für das Gute und gegen das Böse.
Parallel dazu hatte ein Teil der alten Redaktion das Internetprojekt etuxx ins Leben gerufen. In ihrem Abschiedsheft schreiben sie rückblickend: „Die Tuntentinte selbst ist ein Projekt, das in der schwulen autonomen Szene entstanden ist. Von Anfang an sollten die LeserInnen auch die AutorInnen sein. Als das Projekt wuchs und mit ihm auch die Nachfrage, begann sich der Kreis dieser Szene, die am Anfang noch sehr geschlossen war, immer weiter zu öffnen. Mit jeder neuen Ausgabe haben wir die Auflage gesteigert, nicht zuletzt auch deshalb, weil die Herausgabe einer einzigen Ausgabe von der Idee bis zum Druck und Versand immer mehr Arbeit wurde, die sich nur lohnte, wenn möglichst viele die Tuntentinte zu lesen bekommen. Mit dieser Öffnung nach außen sind Probleme entstanden, die auf Dauer nicht mehr zu lösen waren und sowohl den Herstellungsprozess als auch die Frage nach der Zielgruppe, der ‚Szene‘ betreffen. Immer öfter standen wir allein zwischen Kritikern und Fans der Tuntentinte; inhaltliche Rückmeldungen gab es ebenso selten wie Themenvorschläge oder Schreibangebote. Für eine linksalternative Schwulenszene zu schreiben war offenbar nicht Motivation genug. Das haben wir vor allem bei den AutorInnen gespürt, die sich der Szene nur im weitesten Sinn zugehörig fühlten, die wir aber interessant fanden und gewinnen wollten. So blieb für uns die undankbare Rolle der Bittsteller, eine Rolle, die auf Dauer ermüdet. Immer deutlicher haben wir zu spüren bekommen, wie sich die Szene, für die wir veröffentlichten, bis zur Selbstauflösung gewandelt hat, so sehr das ‚Szene’ heute wohl nur noch in Anführungszeichen geschrieben werden kann. (…) Nicht zuletzt aus diesen für das Projekt Tuntentinte durchaus existentiellen Fragen heraus ist die Idee geboren worden, ein Internet-Projekt zu starten und den Phoenix aus der Asche wiederaufstehen zu lassen. (…) Wir haben das neue Medium gewählt, weil wir nach wie vor viel zu sagen haben und die politischen Inhalte vor einem größeren Publikum noch schöner und sinnlicher entfalten wollen. www.etuxx.com heißt das Zauberwort.“

Die hier bereits angesprochenen Probleme sollten bleiben. Mit der Ansage, „die Tuntentinte ist nämlich keine Konsumentenzeitung, sondern ein Rundbrief“, wurde immer wieder dazu eingeladen, eigene Beiträge zu verfassen und zu diskutieren, was zwar auch in durchaus beeindruckender Weise und mitunter scharf und bissig und über mehrere Ausgaben hinweg geschah, aber ein chronischer Mangel an Artikeln und gerissene Deadlines blieben stets ein Problem. Des Weiteren gab es auch stete Finanzierungsprobleme. Die Tuntentinte wurde nicht verkauft, sondern ausschließlich über Spenden finanziert. Dazu kam es immer wieder zu Personalmangel und Überarbeitung (in der Nr. 17 heißt es, dass nach Einsendeschluss aller Artikel noch über 250 Stunden Arbeit anfallen, um eine Tuntentinte zu produzieren und zu verschicken) und nicht zuletzt nagten Vorwürfe der „Berlinlastigkeit“ an dem Projekt.
Die letzte Redaktion produzierte vier Ausgaben und plante dann eine Gemeinschaftsausgabe mit dem französischen Pendant bangbang – dazu kam es jedoch nie. Es erschien noch eine letzte Doppel-Ausgabe und zugleich eine Nullnummer des tintentuntbrief, der unter diesem Namen aber keine Fortsetzung fand. „Wir schlagen vor, statt der Tuntentinte, zwischen den Homolandwochen, einen tintentuntbrief herauszugeben“ ist in gewisser Hinsicht ein back to the roots, zu den Anfängen der Tuntentinte.
Von Sommer 2004 bis Herbst 2006 erschienen dann in einer Auflage von 150 Stück fünf Ausgaben der Tuntentinte extrakt in Verantwortung der Homolandwoche. Die Tuntentinte extrakt war das Ergebnis einer Entscheidung auf der Homolandwoche, „nachdem klar war, dass es die Leute, die zu einer kontinuierlichen redaktionellen und gestalterischen Arbeit an der Tuntentinte bereit sind, zur Zeit nicht gibt“ (ex. 3).
Von März 2008 bis April 2010 erschienen von einer virtuellen Redaktion herausgegebene fünf per E-Mail verteilte PDFs der Tuntentinte electronic mit der Bitte an die Empfänger*innen, diese auszudrucken und in ihren Umfeldern zu verteilen.

Anhand der Entwicklung der Tuntentinte lässt sich auch eine bestimmte technische Entwicklung veranschaulichen, die in den letzten Jahrzehnten das gesamte Printwesen ganz fundamental verändert hat. Entstanden ist die Tuntentinte in einer Prä-Internetzeit, in der Beiträge entweder auf Diskette oder handschriftlich eingereicht werden mussten. Ab der Nr. 7 konnten Texte auch per E-Mail eingeschickt werden. Seit 1998 gab es begleitend Tuntex (Tunten verschicken Texte), eine aus Amsterdam betriebene Mailingliste für den Austausch zwischendurch.
Eben weil die Tuntentinte in einer Prä-Internetzeit entstanden ist und für eine sehr kleine, tendenziell überschaubare Szene entstanden ist, wurden auch nicht viele Gedanken an Datenschutz verschwendet. Wir als Blog wiederum haben Bankverbindungen und Privatadressen unkenntlich gemacht und bei Foto-Love-Stories die Gesichter verpixelt. Die Leute leben ja heute noch und sollen keine unangenehmen Konsequenzen bekommen.
Dass die Tuntentinte jetzt übrigens im Netz auffindbar ist, widerlegt die Annahme Mancher, man fände „einfach alles“ im Internet. Dies ist ein Trugschluss; umso mehr, wenn es sich um graue Literatur aus sozialen Bewegungen handelt. Es gibt so vieles, das (bisher) nicht online ist.

Wir als Tuntentinten-Blog stellen die Ausgaben der Tuntentinte zur Verfügung, weil wir sie toll und wichtig finden! Viele Themen und Debatten haben unseres Erachtens nicht an Aktualität verloren. Manche der Ausgaben finden wir regelrecht legendär, wie beispielsweise die Schwerpunktausgabe zum Umgang mit Tätern, die damals sofort vergriffen war oder auch die Ausgabe zu Erotik und Pornographie, die einen Meilenstein emanzipatorischer Diskussion zu diesen Themen darstellt. Die erstgenannte Ausgabe ist nicht zuletzt deswegen besonders hervorzuheben, weil vor der Zeit von Blogs und Web 2.0 allen Autorinnen alle Texte im Vorfeld zugeschickt wurden, sie auf diese reagieren konnten und all das im Heft abgedruckt wurde. Die Originaltexte wurden also nicht geglättet, sondern die Diskussion darum transparent gemacht. Grandios.

Wir haben vor einigen Jahren bereits den Männerrundbrief online gestellt, das heterosexuelle Pendant zur Tuntentinte, und hatten dabei auch das Interesse, mit einer kritischen Diskussion um Männlichkeit rechten Narrationen entgegenzutreten. Dieses Ansinnen soll mit dem Online-Stellen der Tuntentinte fortgesetzt werden. Die auf diesem Blog versammelten Texte kommen aus einer dezidiert linksradikalen Schwulenbewegung, die schon sehr frühzeitig „queer“ diskutiert hat, das Patriarchat smashen wollte, in der es eine Schwule Antifa gab und eine gesunde Skepsis gegenüber identitären Bezugnahmen. Kritische Diskussionen um Sexualität und Männlichkeit sind mit dem Begehren nach Emanzipation und Befreiung verknüpft und stellen einen wichtigen Kontrapunkt gegen rechte, maskuli(ni)stische, antifeministische, antiqueere und konservative Verengungen dar.

Banner mit Text: "Mein Lippenstift ist wichtiger als Deutschland"

Auf diesem Blog finden sich ein Ende 2021 geführtes Interview mit zwei Ex-Redaktionsmitgliedern und ein persönlicher Rückblick eines damals interessierten Lesers. Die Ausgaben der Tuntentinte selbst finden sich hier als Download, weiterführende Links findet ihr hier. Als besonderes Schmankerl haben wir noch den Reader zum 2. Treffen Anarchie und Sinnlichkeit online gestellt, das im Februar 1988 in Berlin stattgefunden hat. Etwas zum Hintergrund dieser bundesweiten Treffen findet sich auch in der Tuntentinte 18 auf S. 12.
Wer einen eigenen Beitrag, gerne auch persönlich, zur Tuntentinte hat, kann diesen sehr gerne an uns schicken – wir freuen uns! Falls ihr noch Hinweise zu Erscheinungsdaten bei den Ausgaben habt, wo wir uns unsicher sind, noch weitere Ausgaben der Tuntentinte extrakt oder electronic habt, Rechtschreibfehler findet oder eine sonstige Rückmeldung an uns habt: Bitte schreibt uns!
Nicht zuletzt möchten wir euch bitten, diesen Blog bekannt zu machen. Wir haben nicht die Kapazitäten und Reichweite, um das zu bewerkstelligen.
Merci und bis bald

Blog Tuntentinte

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Interview mit 2 Redakteurinnen der Tuntentinte

„Die Gesamtgesellschaft verändern“

 

Lukas Tau: Was kann ich mir unter der Tuntentinte vorstellen?
 

Baella van Baden-Babelsberg: Die Tuntentinte hat als „Reader“ der Landwochen in den 1990er Jahren angefangen. Ursprünglich war das nur eine Ansammlung von Protokollen aus den Arbeitsgruppen unserer Treffen auf dem Land. Die Landwoche – wir nannten sie später „Homolandwoche“ – entstand damit ungefähr zeitgleich mit der Bewegung der schwulen Autonomen in der Bundesrepublik. Hier trafen sich Schwule aus linksautonomen Projekten, um sich über ihre Projekte und das, was sie in ihren politischen Zusammenhängen taten, auszutauschen.
 

Frau Dr. Lore Logorrhöe: Die Idee war, sich an einem Ort auf dem Land zu treffen. Schwule Städter gingen also extra aufs Land, um nicht von der Stadt abgelenkt zu werden. Wobei ja viele zuvor aus der Provinz geflüchtet waren, um in irgendeine Großstadt zu ziehen, wo es eine bestehende schwule Subkultur gab. Dass die Treffen auf dem Land stattfanden, war übrigens wichtig, damit die Leute abends nicht einfach in die (Party-)Szene abhauen konnten.

Es gab Auseinandersetzungen darum, wie viel Party und wie viel Politik auf den Treffen stattfinden sollte. Da die Homolandwoche verschiedenen Zwecken diente, war das auch ein struktureller Konflikt. Es gab den Anspruch, politisch zu arbeiten. Und gleichzeitig war das ein Ort für Schwule, die sonst keine schwulen Netzwerke hatten. Schwule, die zwar gut eingebunden waren in eine linksautonome oder linksalternative Szene, sich da aber einsam fühlten. Dadurch war es auch ein Heiratsmarkt und eine große Party.
 

Baella van Baden-Babelsberg: „Heiratsmarkt“, naja. „Geheiratet“ wurde ja nun nicht, auf jeden Fall nicht für längere Zeit. Bei den Landwochen gab es verschiedene AGs zu Themen, die uns wichtig waren und natürlich Spaziergänge in der Natur. Wir haben auch kleine, trashige Filme gedreht, berühmt war auch das homoländische Croquet-Spiel, es gab Foto-Lovestories und einmal auch eine Diaporama-Show, also eine Dia-Projektion mit Vertonung mit einer ziemlich abstrusen Geschichte – „Homoland 4 Kilometer“. Das Thema Sexualität hat auf den Landwochen immer eine Rolle gespielt: Wie offen findet die statt? Wer hat mit wem Sex? Gibt es nur Zweier-Verbindungen oder kann man auch mal Sex in der Gruppe haben?

Es gab auch eine breite Diskussion über sogenannte „Kuschelräume“. Eine Fraktion wollte die Möglichkeit schaffen, dass wir uns auch körperlich begegnen und nicht nur immer reden. Die Kritik war, Homoland sei total verkopft und Sex finde nur zurückgezogen im Privaten statt. Andere waren gegen Kuschelräume, weil sie meinten, das würde Menschen ausschließen, die eher zurückhaltend oder gehemmt sind. Am Ende gab es keinen „Kuschelraum“, sondern ein „Matratzenzimmer“, mit dem alle leben konnten, also einen Raum „ohne Kuschelzwang“. Was wir alles für Diskussionen geführt haben! (lacht)
 

Lukas Tau: Da fällt mir ein Zitat zu ein, das ich in einer Ausgabe der Tuntentinte gelesen habe: „Die Kuschelrunde ist ein politischer Weg“.
 

Frau Dr. Lore Logorrhöe: Alles, was man machte, erfuhr eine politische Überhöhung, weil das ganz zentral war für die eigene Identität. Muss ja alles politisch legitimiert werden und einfach nur sexuellen Bedürfnissen nachzugehen, wäre ein bisschen zu profan gewesen.
 

Lukas Tau: Es gab also erst die Homolandwochen und aus denen ist die Tuntentinte entstanden?
 

Baella van Baden-Babelsberg: Es gab diese Woche irgendwo auf dem Land mit den Protokollen aus den Arbeitsgruppen. Der Begriff „Homoland“ kam erst später auf. Am Anfang hat eine Person aus der sogenannten „AG Papiere“, die sich nur „die Redakteurin“ nannte, die Protokolle gesammelt, kopiert und rumgeschickt. Diese Sammlung war dann die erste Ausgabe der Tuntentinte, die Nr. 0, erschienen im November 1994.
 

Frau Dr. Lore Logorrhöe: Die Landwochen dienten auch als Vernetzungstreffen. Bei der Tuntentinte ging es darum, nicht nur während Homoland, sondern auch dazwischen die Möglichkeit zu haben, sich eingebunden zu fühlen und sich auszutauschen und dann vielleicht auch eine Kontinuität der einzelnen Landwochen herzustellen. Es ging auch darum, Themen zu besprechen und zu diskutieren, die dann wieder aufgegriffen wurden.
 

Baella van Baden-Babelsberg: Zunächst wurde die Tuntentinte nur an die geschickt, die auf einer Landwoche waren. Ich glaube, die Auflage von der Nr. 0 war maximal 50 Exemplare.
 

Frau Dr. Lore Logorrhöe: Später, als sie dann gelayoutet wurde, lag die Tuntentinte auch in den schwulen Buchläden, Infoläden und anderen Szene-Orten aus. Das war wichtig, um eine Öffentlichkeit herzustellen in der alternativen Szene, um schwule Präsenz zu zeigen und um Leuten die Möglichkeit zu geben, Kontakt aufzunehmen.
 

Lukas Tau: Warum war es für linke, organisierte, schwule Männer wichtig, sich mit anderen linken, schwulen Männern zu treffen?
 

Frau Dr. Lore Logorrhöe: Weil es in den linken Strukturen nicht so viele Schwule gab und weil diese Strukturen homophob waren. Viele waren frustriert von der heterosexuellen Dominanz und der Homophobie der linken Szene, aber auch von dem Mainstream und der Angepasstheit der schwulen Kommerz-Subkultur. Sie suchten deswegen nach alternativen Orten.
 

Baella van Baden-Babelsberg: Ich lebte zu der Zeit in Hamburg. Dort gab es eine linksradikale Szene, die in meiner Wahrnehmung vor allem aus sehr mackerigen, heterosexuellen Typen bestand. Wir wollten uns zum einen von der bürgerlichen schwulen Szene abgrenzen, aber auch von diesen linken heterosexuellen Mackern. Es ging uns um schwule Sichtbarkeit. Hier, schaut her, uns gibt es! Unser Tunten-Sein haben wir auch als Provokation innerhalb der linken Szene verstanden, zumindest hat unser Auftreten immer auch zu Verunsicherung geführt. Das hat uns großen Spaß gemacht, weil viele damit überhaupt nicht klar kamen, aber keine Angriffsfläche hatten.

Die Landwoche war besonders wichtig für schwule Linke aus kleineren Orten. Zweimal im Jahr in einem linken schwulen Zusammenhang zusammenkommen war für viele total bedeutsam! Aus dem gleichen Grund war die Tuntentinte auch so wichtig: um sich auch zwischen diesen Treffen aufeinander zu beziehen und sich verbunden zu fühlen. Das war meist eine besondere und schöne Atmosphäre dort. Wenn ich von dort zurückkam, bin ich immer erstmal in ein emotionales Loch gefallen. Ich erinnere mich noch, wie ich in Hamburg in der S-Bahn saß, allein, auf dem Weg zu meiner Wohnung, zurück von einer Landwoche, und ich sah diese ganzen Kleinfamilien und vereinzelten Menschen und dachte: „Das ist doch scheiße hier, was bin ich froh, dass ich meinen Zusammenhang habe!“. Die Tuntentinte war für mich da so etwas wie eine Vergewisserung, dass wir gemeinschaftlich an einer Utopie für eine bessere Gesellschaft arbeiten.

(zu Frau Dr. Lore Logorrhöe) Wie ging es dir damit, kannst du da was mit anfangen, du warst ja in Berlin zu der Zeit?
 

Frau Dr. Lore Logorrhöe: Ja, ich habe damals im Tuntenhaus gewohnt. Irgendwann ist auch die Redaktion der Tuntentinte nach Berlin umgezogen. Berlin hatte zu der Zeit ohnehin eine ziemliche Dominanz innerhalb der linken Szene. Dadurch habe ich mich in Berlin schon am richtigen Ort gefühlt.
 

Lukas Tau: In welchem Tuntenhaus? Ich hab vor Kurzem gelesen, dass es nicht nur das eine Tuntenhaus gab.
 

Frau Dr. Lore Logorrhöe: Ich bin nicht so alt, dass ich im ersten Tuntenhaus in der Bülowstraße gewohnt habe. Das Haus entstand Anfang der 1980er. 1990 gab es das zweite Tuntenhaus in der Mainzer Straße, in dem war ich auch noch nicht dabei. Ich bin Mitte der 1990er in das Tuntenhaus gezogen, das es heute noch in der Kastanienallee gibt. Das war da schon nicht mehr besetzt, sondern hatte einen Vertrag bekommen.
 

Alle Cover der Tuntentinte nebeneinander

 

Baella van Baden-Babelsberg: Im Mai 1995 wurde die Tuntentinte Nr. 3 zum ersten Mal von der Berliner Redaktion produziert. Die Ausgaben Nr. 0 und 1 kamen aus Frankfurt, die Ausgabe 2 hat W. aus der Kneipe „Schwule Sau“ in Hannover gemacht. Die folgenden Ausgaben kamen aus Berlin und wurden immer liebevoller layoutet mit viel Spaß am Design. Ich bin ab der Nr. 12 zum Thema „Cocooning“, also „Wie wollen wir wohnen und leben?“, persönlich voll eingestiegen – also als Herausgeberin. Dass wir außerdem ein „Institut zur Beschleunigung und Verzögerung der Zeit“ und das Radio „radiOAton“ betrieben, war, denke ich heute, eine Art Selbstvergewisserung, dass wir bedeutend sind mit dem, was wir da machen. Wir haben immer mit Namen und Pseudonymen gespielt, was einerseits sehr viel Kreativität freisetzte, uns andererseits aber auch Schutz vor Angriffen bot. Zunehmend kam das Bedürfnis auf, uns über den Kreis der Landwochen hinaus sichtbar zu machen. Und wir wollten neue Teilnehmer für die Landwochen finden.
 

Lukas Tau: Was waren die Themen in der Tuntentinte?
 

Frau Dr. Lore Logorrhöe: Wir sind irgendwann zu thematischen Ausgaben übergegangen. Wir haben auf den Landwochen immer eine AG Tuntentinte gemacht, bei der wir gefragt haben, welche Themen diskutiert werden sollen. Eines dieser Themen war „sexualisierte Gewalt und Umgang mit Tätern“. Für mich war diese Ausgabe ein Highlight in der Geschichte der Tuntentinte. Die Ausgabe wurde dann auch in der darauffolgenden Landwoche diskutiert und gab die Gelegenheit, eine Kommunikation herzustellen, die sonst nicht zu Stande gekommen wäre. Andere Themen blieben oft etwas akademisch. Das war beim Thema sexualisierte Gewalt anders. Es war ein wahnsinnig heißes Eisen. Konflikte rund um das Thema kochten immer wieder hoch, eine Landwoche ist dadurch fast gesprengt worden.
 

Lukas Tau: Das Thema war eigene Täterschaft und eigene Betroffenheit?
 

Frau Dr. Lore Logorrhöe: Eigene Täterschaft spielte fast keine Rolle. Es ging um sexualisierte Gewalterfahrungen, also Opfererfahrungen. Und es ging um die politische Haltung zur Pädo-Debatte. Einige Gruppen, die an Landwochen teilnahmen, hatten sich sehr solidarisch mit Pädo-Gruppen gezeigt und andere wiederum sehr solidarisch mit Betroffenen von pädosexueller Gewalt.

Ob es auch Täter auf den Landwochen gab? Schwer zu sagen. Zumindest musste eine Person eine Landwoche verlassen, da ihr Täterverhalten vorgeworfen wurde.
 

Baella van Baden-Babelsberg: Die Landwoche, auf der das 1996 passierte, war mit 40 Personen eine der größten Landwochen überhaupt. Als die Landwochen begannen, waren wir nur etwa 15 Leute. Ich erinnere mich noch an das Plenum dieser großen Landwoche, bei dem wir gar nicht alle in den Raum reinpassten, sondern noch in den Nebenzimmern saßen. Ausgelöst wurde die Debatte dadurch, dass jemand vorher am Lagerfeuer davon erzählt hatte, dass er jemanden „vernascht“ hätte. Ich erinnere mich noch an diesen Ausdruck: „vernascht“.
 

Frau Dr. Lore Logorrhöe: Die betroffene Person war minderjährig. Wie alt genau, war nicht klar. Der Beschuldigte hatte deshalb auch innerhalb der linken Szene seines Heimatortes schon Probleme bekommen und suchte dann auf der Landwoche Solidarität, bekam sie aber nicht. Daran zeigte sich auch, dass einigen das Thema vertraut war, zum Teil aus eigener Betroffenheit. Andere wiederum hatten sich damit noch überhaupt nicht auseinandergesetzt und haben da ziemlich rumgeeiert. Das hatte auch soziale Sprengkraft. Die gemeinsame Vertrauensbasis ist für einige verloren gegangen. Für die einen, weil sie sich nicht mehr sicher waren, ob die Landwoche für sie noch ein sicherer Ort war und für die anderen, weil der Raum, um sich auseinanderzusetzen und auch Fragen stellen zu dürfen, für sie irgendwie verschwunden war.
 

Baella van Baden-Babelsberg: Der Beschuldigte musste zwar abreisen, aber das Thema kochte weiter. Ich habe damals ein Radioprojekt auf Homoland gemacht, die „Homoland-Nachrichten“. Das Thema sexuelle Gewalt kam in den täglichen Nachrichtensendungen immer wieder vor. Wenn ich mir diese Sendungen heute anhöre, kommen mir immer noch große Zweifel daran, wie wir damals miteinander umgegangen sind. Während der Woche ist einer langsam abgedreht. Wir waren damals einfach zu viele und damit überfordert, auf ihn einzugehen. Am Ende der Woche ist die Person dann mit einer anderen zusammen im Auto abgereist und hatte einen schweren Unfall mit Totalschaden. Wie durch ein Wunder kamen sie dabei nicht ums Leben.

Das Thema sexualisierte Gewalt durchzieht eigentlich alle Ausgaben der Tuntentinte in irgendeiner Form. Und nicht nur die Tuntentinte. Es gab im Juni 1995 auch eine Pädo-Debatte in der Interim, der Zeitschrift der autonomen Bewegung. Wir haben die Ausgabe Nr. 10 produziert: „Homoland, wie weiter?“. Das war die Ausgabe zu sexualisierter Gewalt. Wir hatten auch vorher schon einen Fall im Umfeld. Eine Person hat sich selbst als pädophil geoutet und wollte damit einen Umgang finden, hat aber sofort viel Konfrontation bekommen. In der Interim wurde das hoch und runter diskutiert.
 

Frau Dr. Lore Logorrhöe: Man muss dazu sagen, dass die Debatte über sexualisierte Gewalt durch die feministische FrauenLesben-Bewegung ausgelöst wurde. Sie forderten diese Auseinandersetzungen ein. Viele bei der Landwoche waren im losen Kontakt zur FrauenLesben-Bewegung und haben das als einen Ort gesehen, an dem sie sich noch am ehesten wiedergefunden haben in ihren linken Zusammenhängen. Hier gab es Diskussionen um Sexualität, Geschlechterrollen und Patriarchat. Viele Schwule versuchten die Positionen, die in der FrauenLesben-Bewegung erarbeitet wurden, in die eigene Szene hineinzutragen. Ich fand es sehr gut, dass es diese Auseinandersetzungen in der Schwulenbewegung gab. Homoland und Tuntentinte gehörten zu den wenigen Orte in der schwulen Szene, wo überhaupt über Pädophilie diskutiert wurde. Seit der sogenannten „Sexuellen Revolution“ gab es eine gewisse Solidarität von Teilen der linksalternativen Szene mit der Pädo-Bewegung. Die gab es später auch in Teilen der Schwulenbewegung. Diese Solidarität ist dann Mitte der 1990er Jahre aufgekündigt worden, aber ohne, dass da eine weitreichende Auseinandersetzung stattgefunden hätte. Bis heute ist die Debatte ein Phantom, die, besonders wenn man sich mit älteren Schwulenbewegten unterhält, unaufgearbeitet herumschwirrt. Diese mangelnde Auseinandersetzung hat auch dazu geführt, dass es keinen Umgang mit den strukturellen Gründen sexualisierter Gewalt in der schwulen Szene gegeben hat oder gibt.
 

Lukas Tau: Wie war eigentlich eure Verbindung zum (pro)feministischen Männerrundbrief, also auch thematisch? Der erschien ja zur gleichen Zeit.
 

Frau Dr. Lore Logorrhöe: Der Männerrundbrief war ganz klar ein heterosexueller Rundbrief. Schwule wurden zwar immer ganz lieb erwähnt, aber waren auch immer ganz klar das Andere.
 

Baella van Baden-Babelsberg: Es gab kaum Verbindungen zwischen uns und den männerbewegten Kreisen. In den 1990er Jahren ging es ja viel um Abgrenzung – Wer hat die radikaleren Konzepte? Ich denke, wir waren uns gegenseitig irgendwie suspekt. Es gab immer wieder Auseinandersetzungen um die „Tunte“ als eine ganz eigene Form von Militanz und als Infragestellung von Männlichkeit. Während einer Landwoche gab es Konflikte zwischen schwulen linken Mackern und militanten Tunten. Auch da ging es um die Auseinandersetzung mit Männlichkeit.
 

Frau Dr. Lore Logorrhöe: Ein Problem dabei war, dass Männlichkeit ganz klar auch begehrt wurde.
 

Baella van Baden-Babelsberg: Ja, das war sehr ambivalent. Eine Tunte war cool, aber alles andere als sexuell begehrt. Es gab ja auch Tunten in der Kommerz-Szene.
 

Lukas Tau: Was sind Tunten?
 

Frau Dr. Lore Logorrhöe: Tunte-Sein wird von den Polittunten als eine Form politischer Auseinandersetzung und Provokation verstanden. Es gibt sicherlich noch andere Aneignungsweisen von Tunte-Sein, aber der Tuntenbegriff, auf den sich die Landwoche bezogen hat, war einer, der aus einer politischen schwulen Bewegung entstanden war, wo Tunte-Sein immer hieß, politisch mit dem eigenen Schwulsein in die Offensive zu gehen, das Schwulsein nicht zu verstecken, sondern schwulenfeindliche Klischees aggressiv aufzugreifen. Manchmal auch zu provozieren, indem man bestimmte Klischees von Femininität aufgreift und die karikiert. Es geht auch ums Verwirren.
 

Baella van Baden-Babelsberg: Politische Tunte ist auch noch mal was Anderes als Drag. Es geht dabei auch immer um eine Auseinandersetzung mit männlichen und weiblichen Rollen.
 

Lukas Tau: Noch mal kurz zurück zu der Aussage, dass Männlichkeit begehrt wurde. Wurden Männer begehrt oder Männlichkeit? Lässt sich das überhaupt trennen?
 

Frau Dr. Lore Logorrhöe: Ich denke, Männlichkeit von cis Männern wurde begehrt. Trans* Männer kamen nicht vor auf den Landwochen, das war damals noch kein Thema.
 

Baella van Baden-Babelsberg: Überhaupt nicht, leider. Trans* Männer hatten wir damals überhaupt nicht auf dem Schirm.
 

Frau Dr. Lore Logorrhöe: Aber es ging um trans* Frauen oder trans* Personen, die sich unwohl gefühlt haben in einer männlichen Identität. Die wurden geachtet, aber ob die auch im gleichen Maße begehrt wurden, bezweifle ich. Es gab einige, die im „Kuschelraum“ bzw. im „Matratzenzimmer“ durchaus ankamen. Ich kann mich erinnern, dass sich eine Person immer mehr als trans* identifiziert hat, die auch eine Diskussion auf der Landwoche eingefordert hat über Schönheitsnormen und Männlichkeitsnormen. Es war nicht leicht, darüber zu reden. Es war allen klar, dass es eigentlich als moralisch richtig galt, traditionelle Männlichkeit nicht so begehrenswert zu finden, die große Mehrheit der dort versammelten schwulen Männer aber genau das tat.
 

Baella van Baden-Babelsberg: Es ging in den Diskussionen damals eigentlich nur ums Begehren und nicht um geschlechtliche Identität. Von heute aus betrachtet empfinde ich das als ein sehr großes Manko. Die Diskussion, die jene trans* Person einforderte, wurde einfach nicht geführt.
 

Lukas Tau: Was war eure Utopie von einer besseren Gesellschaft?
 

Baella van Baden-Babelsberg: „Homoland“ war für mich immer auch die Utopie einer Gesellschaft, in der wir nicht vereinzelt leben, sondern in größeren Zusammenhängen, in denen wir uns wesentlich intensiver aufeinander beziehen. Eine Gesellschaft, in der Sexualität und Identität keine Ausschlusskriterien sind. Diese Utopie platzte für mich auf der Homolandwoche 1996 mit diesem Desaster um den Tätervorwurf. Die Utopie, die ja im Wesentlichen daraus bestand, das wir uns aufeinander beziehen, achtsam sind, uns gegenseitig wahrnehmen und darum ringen, wie wir miteinander umgehen wollen, war mit einem Schlag gestorben. Ich bin weiter zu den Landwochen gefahren und die Tuntentinte haben wir auch weiter gemacht, aber das Gefühl einer Utopie war weg. Damit war irgendwie die Luft raus. Ich habe mich gefragt, warum ich das überhaupt alles mache.
 

„Dieser Phantomschmerz vom Verlust der Utopie einer gesamtgesellschaftlichen Veränderung, diese Trauerarbeit, die wurde zum Teil auf der Homolandwoche und in der Tuntentinte geleistet.“

 

Frau Dr. Lore Logorrhöe: Ich würde sagen, unser Bemühen war der Versuch, das utopische Potenzial der schwulen Emanzipation hinüberzuretten in eine Zeit, in der die Schwulenbewegung auf eine Weise sehr erfolgreich war, weil sie immer mehr in der Mitte der Gesellschaft ankam. Dabei ging aber auch etwas verloren, was ursprünglich eine utopische Idee der Schwulenbewegung war, nämlich die Gesamtgesellschaft zu verändern. Und dieser Phantomschmerz vom Verlust der Utopie einer gesamtgesellschaftlichen Veränderung, diese Trauerarbeit, die wurde zum Teil auf der Homolandwoche und in der Tuntentinte geleistet.
 

Baella van Baden-Babelsberg: Der französische Philosoph Guy Hocquenghem zählte zu den radikalen Vertretern einer Theorie, die besagte, dass eine Gesellschaft, die Homosexualität nicht nur toleriert, sondern als Lebensweise voll und ganz akzeptiert, eine radikal andere, neue Gesellschaft sein wird und dass es deshalb Aufgabe der Schwulen ist, nicht die Muster der heterosexuellen Gesellschaft zu kopieren, mit Homo-Ehe und Bla, sondern eine ganz eigene Kultur zu schaffen. Aber das Gegenteil war der Fall. Die Schwulen kamen immer mehr im Mainstream an und die Utopie einer anderen Gesellschaft hatte sich damit erledigt. Vielleicht auch, weil der Philosoph das Schwulsein idealisierte? Na ja, und dann kam 1989 die sogenannte „Wende“, sogenannt, weil damit meist was Positives ausgedrückt werden soll. Ja, es war eine Wende, aber nicht nur positiv. Von heute auf morgen lösten sich die ganzen linken Zusammenhänge auf und die Entsolidarisierung nahm ihren Lauf. Heute gibt es in meiner Wahrnehmung viele Einzelkämpfer*innen und kaum noch größere Zusammenhänge. Für mich sind die vielen ganz anderen „Familien“ abhandengekommen.
 

Frau Dr. Lore Logorrhöe: Ich denke, jede Utopie erfährt an irgendeinem Punkt ihre Entzauberung. Das mag für jeden und jede ein unterschiedlicher Zeitpunkt sein und an unterschiedliche Erfahrungen geknüpft sein. Für dich war es auf der Landwoche mit dem Tätervorwurf. Für mich war das gar nicht so einschneidend. Ich hatte ganz andere enttäuschende Momente. Jede Utopie ist auch eine Idealisierung und kommt irgendwann in der Realität an. Ich bin der Ansicht, dass gegenseitige Achtsamkeit in einer Gruppe, die ziemlich beliebig zusammengewürfelt ist und wo es nicht so viel Kontinuität gibt, nur bis zu einem gewissen Grad verwirklicht werden kann. Das utopische Moment gelingt darin manchmal. Auf eine harte Probe gestellt, zeigt sich im Alltag dagegen, dass zusätzlich andere Dinge wichtig sind, beispielsweise soziale Strukturen, in denen die Leute eingebunden sind, wo sie aufgefangen werden. Darüber haben wir damals aber nicht viel nachgedacht, wie die gesamte autonome Szene sehr wenig über Kontinuität, Struktur und Organisation nachgedacht hat. Wir waren ja eher so Spontanitätsfetischist*innen.
 

Baella van Baden-Babelsberg: Stimmt. Wir haben auch nie über unsere soziale Herkunft gesprochen. Bei denen, die sich am meisten autonom gaben, habe ich später festgestellt, dass sie aus wohlhabenden Elternhäusern kamen, also ganz anders sozial abgesichert waren.
 

Lukas Tau: Es ist immer ein Problem, sich seine Abhängigkeiten einzugestehen und die zu formulieren. Innerhalb der bürgerlich-männlichen Gesellschaft sowieso, aber vielleicht noch mal besonders oder zumindest spezifisch in einer Szene, die sich autonom nennt. In diesen Zusammenhängen zu formulieren, dass mensch ein Bedürfnis nach Zusammenhalt und Verantwortung hat, die weiter geht als zum Beispiel politische Aktionen und Events zu machen oder zweimal im Jahr zusammen zur Homolandwoche zu fahren, ist vielleicht besonders schwer. Oder was denkt ihr?
 

Frau Dr. Lore Logorrhöe: Da hat die autonome FrauenLesben-Szene einiges geleistet. Sie haben da den Finger in die Wunde gelegt und klar gemacht, dass wir immer abhängig sind und dass diese Vorstellung von Autonomie etwas sehr männlich-patriarchales ist. Sie haben sich anders organisiert, hatten andere Gruppenzusammenhänge. Ihr Auftreten auf Demos hat deutlich gemacht, dass es andere Arten der Militanz gibt. Es ging ihnen immer auch um Nachsorge und Nachbearbeitung von dem, was kollektiv erlebt wurde. Das fand in anderen autonomen Szenen nicht statt, also in der gemischten und männlichen autonomen Szene.
 

Lukas Tau: Dazu fällt mir ein Transparent ein, das auf einem der Autonomie-Kongresse der 90er Jahren hing und von Teilen der FrauenLesben-Bewegung dort aufgehängt wurde. Auf dem Transparent stand: „Autonomie ist selbstgewählte Abhängigkeit!“ Ich finde das sehr erhellend.
Mit Blick auf Heute und Damals: Was hat sich verändert, was braucht es oder hätte es gebraucht?
 

Frau Dr. Lore Logorrhöe: Linke Bewegungen organisieren sich heute ganz anders. Zum Teil spielen andere Fragen eine Rolle. Diskussionen um Rassismus waren damals längst nicht so wichtig wie heute. Wissen um und Angebote für Trans* und andere Geschlechtsidentitäten waren auch noch auf einem ganz anderen Stand. Heute ist es wahrscheinlich einfacher geworden, in linken Zusammenhängen offen schwul oder auch trans* zu sein und sich innerhalb dieser Szene zu vernetzen, ohne noch eine Schnittmengenszene zu brauchen. Die schwule Szene hat sich verändert, hat sich differenziert. Dadurch ist es auch nicht mehr so einfach, sie pauschal zu kritisieren, wie es damals noch gemacht wurde.
 

Baella van Baden-Babelsberg: Ich finde es schwierig, diese Frage zu beantworten, weil sie immer eine Frage der eigenen Lebensweise ist. Das Thema Schwulsein als eine Identität in einer autonomen Szene interessiert mich persönlich heute nicht mehr. Mir geht es jetzt um andere Dinge. Trotzdem ist es schade, dass diese Utopie geplatzt ist. Gleichzeitig bleibt sie in mir lebendig. Ich bin immer noch auf der Suche nach einem Zusammenhang, der verbindlich ist, mir aber auch Freiraum lässt.

Was ich immer vermisst habe und was wir nicht geschafft haben, ist, Kontinuität herzustellen. Es gab eine anti-bürgerliche schwule Bewegung auch schon mal vor uns. Einen richtigen Kontakt dahin gab es aber nicht. Deswegen machen wir auch immer wieder die gleichen Fehler. Die nächste Generation muss sich wieder neu ausprobieren, was auch okay ist. Aber wenn ich da heute draufschaue, hätte es vielleicht auch anders gehen können. Und jetzt kommst du und fragst plötzlich nach, nach 25 Jahren. Ich habe einerseits Schwierigkeiten, mich überhaupt noch zu erinnern und gleichzeitig das Gefühl, dass mir alles noch gegenwärtig ist. Das war eine ganz, ganz tolle Zeit, die ich überhaupt nicht missen möchte. Wir hatten kurz, auf dem Weg hierher zum Interview, das Thema Scheitern, und wenn es jetzt ums Scheitern geht…
 

Lukas Tau: …ganz kurz, diese Ausgabe hat zwar den Schwerpunkt „Scheitern“, aber das Interview mit euch wollte ich nicht deswegen machen.
 

Baella van Baden-Babelsberg: …da ist vieles auch ins Leere gelaufen. Trotzdem: Der Weg war auch damals schon das Ziel. All die Sachen, die wir miteinander erlebt haben, bleiben wichtig, auch wenn wir jetzt alle auf unseren eigenen Inseln unterwegs sind.
 

Frau Dr. Lore Logorrhöe: Ich finde den Aspekt der Weitergabe sehr schön! Mir ist es wichtig, eine gewisse Kontinuität herzustellen, ein kulturelles Gedächtnis zu bewahren, um zu gucken, wo wiederholt sich was und warum. Deshalb sitze ich hier.

Erschrocken bin ich von dem, was immer gleich geblieben ist. Dass bestimmte Probleme immer noch nicht gelöst sind! Die Schwulenbewegung – und auch andere Bewegungen – haben immer daran gekrankt, dass es keine Verbindung zwischen den Generationen innerhalb der Bewegung gab. Es ist aber wichtig, dass wir miteinander ins Gespräch kommen!
 

Lukas Tau: Wenn ihr jetzt 25 Jahre zurückgehen würdet, würdet ihr es noch mal machen?
 

Baella van Baden-Babelsberg: Ja klar! Aber mit dem Wissen, das ich heute habe, würde ich es anders machen. Ich wäre sehr viel selbstsicherer. Ich würde noch mehr gestalten und intensiver in den Kontakt zu den anderen gehen. Ich glaube, ich würde so eine Landwoche nutzen, um Menschen zu finden, mit denen ich Kunstprojekte entwickeln könnte, die intervenieren und den gesellschaftlichen Konsens infrage stellen. Auch die Tuntentinte hatte das Potential dazu. Im Nachhinein war sie für mich eigentlich auch so etwas wie ein Kunstprojekt, das ja später seine Fortsetzung im Online-Magazin etuxx fand, das es von 2000 bis 2006 gab. Zu einer Zeit, als das Internet laufen lernte. Das war Avantgarde. (lacht)
 

Frau Dr. Lore Logorrhöe: Frei nach Samuel Beckett würde ich sagen: Noch mal machen, noch mal scheitern, besser scheitern.
 
 

Das Interview erschien zuerst im Boykott-Magazin, Ausgabe 2, März 2022, S. 72–80.

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Erinnerungen an die Tuntentinte

Die Tuntentinte trat ungefähr 1996 in mein Leben. Zwei Mitbewohner brachten sie von der Homolandwoche mit, deren Organ die Zeitschrift war. Sie verstand sich als „Rundbrief … linker, radikaler Schwuler“ (#11), worüber sie aber auch hinausging. Ich hatte mich als Hete schon seit ein paar Jahren für schwullesbische Fragen interessiert, kannte mich jedoch noch nicht besonders gut aus. Irgendwie dämmerte mir aber in dieser Zeit: Homophobie hat für Männer nicht nur die Dimension des „Schwulenhasses“ und der Gewalt; sie ist auch ein Mechanismus der Konkurrenz und „Entfremdung“ (so nannte man damals in der Linken manches) untereinander, der Zurichtung zum rein heterosexuellen, patriarchal funktionierenden Mann. Das interessierte mich (und ein bisschen aufkeimendes queeres Begehren war auch dabei).

Ausschnitt aus einer Ausgabe: Horoskop für Sternzeichen ZickeIch wusste bereits, dass das Wort „Tunte“, ähnlich wie „schwul“, nicht nur zur Abwertung gebraucht, sondern von radikalen Teilen der Schwulenbewegung gelegentlich zum Empowerment genutzt wurde. Nicht zuletzt wurden in der Figur der Tunte auch stereotype Formen der Geschlechterkonstruktion durch Überzeichnung transparent und Männlichkeitsbilder herausgefordert. Die Tunte war insofern performativer Aktionismus – instantly radical. Gleichzeitig setzte sie in den Comics von Ralf König bereits zum Sprung an auf die populäreren Höhen des Mainstreams („kreisch!“).

In der Tuntentinte gab es Debatten über das Politische im Privaten, Intimen und vor allem Sexuellen, die den engen Rahmen dessen sprengten, was ansonsten in der linken Öffentlichkeit verhandelt wurde. So waren Heteronormativität und Transphobie Themen, bevor diese Begriffe in der deutschsprachigen Debatte gebräuchlich waren. Doch auch Begehren, Konsum und Beziehungsformen wurden engagiert debattiert. Gleichzeitig war die Zeitschrift kreativer und ästhetischer als fast alle DIY-Publikationen dieser Ära (okay, low bar, könnte man einwenden, wenn man eine andere linke Zeitung dieser Zeit zur Hand nimmt). Sie bestach nicht zuletzt mit bedächtig ausgewählten Illustrierten-Ausschnitten und filigranem, oft auch überdrehtem Bildmaterial. Zwischen politischen Artikeln fand sich schon mal ein Rezept für Johannisbeerkuchen, das wiederum mit einem grobkörnigen Bild eines Gesäßes über Springerstiefeln illustriert war. Ein „Sascha Berlinskij“ schrieb seiner Gemeinde regelmäßig Kritische Theorie auf den Lehrplan und bürstete schwule Normen gegen den Strich. Er nahm „Adorno von hinten“ und schrieb über Fußball – was viele Schwule als Provokation empfinden mussten. Überhaupt stellte das Magazin eine Absage dar: an Hetero-Normen und die Dominanzgesellschaft, aber auch an die Anpassung der schwulen Szene (die über die Homoehe diskutierte) oder den nächsten als langweilig und kommerziell empfundenen CSD. Diese kleine Zeitschrift im Zeichen des fünfzackigen Sterns mit Stöckelschuh war aber auch ein Lesevergnügen, denn sie war oft sarkastisch und unglaublich witzig. Die Ausgaben wurden von einem „Institut zur Verzögerung und Beschleunigung der Zeit“ herausgegeben, und damit war schon vieles gesagt.

Ausschnitt aus einer Ausgabe: Text: "eine sogenannten Redaktionssitzung", 3 verschiedenfarbige Schweine übereinander

So ein Projekt steht natürlich in einem Kontext, der weit über die Zeitschrift – besonders in ihrer Funktion als Rundbrief – hinausweist: Es gab bereits ein Tuntenhaus in Ostberlin (nicht das erste seiner Art), die schwule Szene hatte bereits lange vorher einen „Tuntenstreit“ in den 70er Jahren hinter sich, es gab eine Schwule Antifa und den Orden der Schwestern der Perpetuellen Indulgenz. Und da nicht zuletzt durch Techno der Dresscode auch im heterosexuell dominierten Nachtleben erweitert wurde, erlebte Drag ein gewisses Revival auch dort. Ein Bekannter erzählte mir von der „Tunten-Terror-Tour“, die ihn und einige schwule Genossen (das Wort gab es noch so ein bisschen in diesem Jahrzehnt) 1993 durch den deutschsprachigen Raum führte. Zeitgleich wurde Judith Butler im deutschsprachigen Feminismus sowie in den progressiveren Geistes- und Sozialwissenschaften rezipiert, „Dekonstruktionen“ waren en vogue. Die Tunte, der (vielleicht auch Nicht-)Mann in Drag, gelegentlich grell geschminkt, laut & hochhackig, stand als Provokation des Hetero-Malestreams genau dafür, ähnlich der Butch auf Seite der (vielleicht auch Nicht-)Frauen. Das Wort „queer“ schwappte erstmals aus dem angloamerikanischen Begriffssystem ins Deutsche und trat seinen Siegeszug an: Es versprach gleichsam eine breitere Bewegung gegen den Normalismus des Gender- und Sexualitätssystems, in die sich neben Schwulen, Lesben, Bisexuellen endlich auch diejenigen einreihen konnten, die nicht dem Mann-Frau-Schema entsprachen oder die einen Feminismus gut & richtig fanden, der überkommene Stereotype abschaffen wollte. Im globalisierten Rahmen folgte Ende der 90er die Queeruption, eine Reihe internationaler Festivals, oft in besetzten Häusern, mit Workshops, öffentlichen Aktionen und – eher neu in linken Kontexten – Sex-Partys, die sowohl Ekstase und awareness beinhalten sollten.

Diese Entwicklungen waren in der Tuntentinte ab Mitte der 1990er angelegt, ehe die Digitalisierung ein neues Projekt in die Welt brachte: etuxx.com. Unerreicht waren beide in ihrem schnoddrigen, oft feinsinnigen, manchmal auch brachialen Witz. Die Tuntentinte war eine inspirierende Provokation.

Marc

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WTF is Tuntentinte?! (English)

Tuntentinte (Fag Ink) is inextricably linked to Homolandweek, a “biannual event in April or September where homos who call themselves autonomous gays, left-wing faggots, gay leftists or something like that meet to discuss tactics and strategy and personal matters together, to go for a walk, to play croquette …” (No. 9).

In the zero number, the motivation for a separate, written organ is cited: “The idea for this newsletter arose out of dissatisfaction that many discussions held on gay issues both in particular and in general have no forum, few leave our informal contacts, and are not very comprehensible to outsiders. So the purpose of this newsletter is to;
• create a forum for discussion among left-wing radical gays
• have a more binding discussion, which hopefully can be made transparent to many interested people through the form of the newsletter
• be able to discuss individual topics beyond the Landweek,
• and last but not least, to give new impulses for the content of the Landweek, to create a forum for the preparation and follow-up of the content (ideally)“.

Thus, the first issue of Tuntentinte saw the light of day in November 1994, and 23 more issues were to follow until (presumably) the end of 2003. Initially produced in Frankfurt am Main, Tuntentinte appeared every two months, but from No. 3 onwards the editorial office and postal address changed to the editorial office of the Institute for Delay and Acceleration of Time in Berlin, and from No. 19 onwards it was based in Hanover. While five issues were produced in 1995, this number decreased in the following years and settled down to 1-2 issues per year from 1999 onwards. The circulation was always tiny, at its peak it was 800 copies (from No. 17 onwards), even though a much broader readership can be assumed – especially with this blog 😉.

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Live & Read Tuntentinte

The Tuntentinte always had its own charm and wit, theoretical and discussion contributions alternated with cooking recipes, puzzles, collectible pictures, comics, and photo love stories. The writing was in German. There were contributions from Germany, the Netherlands, France, and Switzerland. It was distributed in Germany, Austria, Switzerland, the Netherlands and France through info shops, left-wing bookshops, autonomous housing and pub projects, caravan sites, and private individuals.

Topics of discussion included homophobia in the left, homophobia in Germany and other societies, critique of mainstream gay and lesbian politics, BDSM, communism, coming out, anti-militarism, anti-fascism, sexualized violence, pedo-sexuality, homosexual Nazi victims, prostitution, patriarchy, eroticism and pornography, anti-Semitism, friendship, queer, housing forms, and identity politics. There was also an astonishingly early thematization of intersex and transsexuality, which also manifested itself in the invitation policy of Homolandweek, which from the mid-2000s explicitly invited trans men as well. “Homolandweek has always been a meeting of cute punkers, perverted autonomists, ALG2 fags, gay trans men, left-wing homos and perverse students.”

While in the beginning, Tuntentinte was still a stapled collection of DIN A4 sheets, partly handwritten and with many reprints from other magazines, a steady professionalization took place. After 3 years, from the end of 1997 (No. 12), there were completely original texts on focal issues and a professional, unified layout. Two issues later, the new concept was described as follows: “Conceived as a newsletter of the Homolandweek, a biannual meeting of left-wing and radical left-wing gays, it was to be an exchange organ between the Homolandweek. The aim was to facilitate a cross-city discussion, not just for participants of the Landweek. These discussions became less and less comprehensible to outsiders. Conversely, many felt that the framework of the Tuntentinte was too official and anonymous to share personal information. In order to meet these two different needs, we changed the concept about a year ago.” From then on, there were the aforementioned focal issues, topics outside those issues (current political, gay/lesbian/queer discussions beyond the mainstream), fixed sections (recipes, puzzles, radi.OA.ton service page, columns), and Homoland in the Mirror (discussions, AGs, invitation, etc.).

Also, from No. 12 onwards, there was the “intimate section”, printed on different colored paper, which went only to subscribers who had taken part in the last two Homoland weeks. In order to understand this ‘intimate’ part, it was necessary to have followed the discussion at the Homoland Weeks over a longer period of time. It was also intended to create the familiar atmosphere in which a very personal approach to what has been experienced is possible, it says in No. 13.

Tuntentinte took another turn with a new editorial team at the beginning of 2001 with No. 19, which was based in seven different places and had its postal address in Hanover. The magazine was now published by the Cosmetic Institute for the Inner Beauty of the Faggot and the Committee for Good and Against Evil.

At the same time, part of the old editorial team had launched the internet project etuxx. In their farewell issue they wrote retrospectively: “The Tuntentinte itself is a project that originated in the gay autonomous scene. From the beginning, the readers were also supposed to be the authors. As the project grew, and with it the demand, the circle of this scene, which was still very closed at the beginning, began to open wider and wider. With each new issue we increased the circulation, not least because publishing a single issue, from the idea to printing and mailing, became more and more work, which was only worthwhile if as many people as possible got to read the Tuntentinte. With this opening to the outside, problems arose that could no longer be solved in the long run, concerning both the production process and the question of the target group, the ’scene‘. More and more often we stood alone between critics and fans of Tuntentinte; feedback on content was just as rare as suggestions for topics or offers to write. Writing for a left-alternative gay scene was apparently not motivation enough. We felt this above all with the authors who felt they belonged to the scene only in the broadest sense, but whom we found interesting and wanted to win over. So we were left with the thankless role of supplicants, a role that gets tiring in the long run. We felt more and more clearly how the scene for which we published had changed to the point of self-dissolution, so much so that today ’scene‘ can probably only be written in inverted commas. (…) Not least because of these existential questions for the Tuntentinte project, the idea was born to start an internet project and to let the Phoenix rise again from the ashes. (…) We have chosen the new medium because we still have a lot to say and want to unfold the political content in front of a larger audience in an even more beautiful and sensual way. www.etuxx.com is the magic word.”

The problems already addressed here were to remain. With the statement, “after all, the Tuntentinte is not a consumer newspaper, but a newsletter”, there was always an invitation to write and discuss one’s own contributions, which was also done in a thoroughly impressive manner, sometimes sharply and bitingly, and over several issues. However, a chronic lack of articles and torn deadlines always remained a problem. Furthermore, there were also constant funding problems. The Tuntentinte was not sold but financed exclusively through donations. In addition, there was a constant lack of staff and overwork (No. 17 states that after all the articles had been submitted, there were still over 250 hours of work to produce and send out a Tuntentinte). Last but not least, accusations of being ‘Berlin-heavy’ nagged at the project.

The last editorial team produced four issues and then planned a joint issue with the French counterpart bangbang – but this never happened. One last double issue was published and at the same time, a zero number of the tintentuntbrief, which was not continued under this name. “We propose to publish a tintentuntbrief instead of the Tuntentinte between the Homolandweeks”. This statement is, in a way, back to the roots, to the beginnings of the Tuntentinte.

From summer 2004 to autumn 2006, five issues of Tuntentinte extrakt were published, 150 copies each, under the responsibility of Homolandweek. Tuntentinte extrakt was the result of a decision at Homolandweek, “after it became clear that the people willing to do continuous editorial and design work on Tuntentinte did not exist at the moment” (ex. 3).

From March 2008 to April 2010, five PDFs of the Tuntentinte electronic, distributed by e-mail, were published by a virtual editorial team, asking the recipients to print them out and distribute them in their environments.

The development of the Tuntentinte also illustrates a certain technical development that has fundamentally changed the entire print media in recent decades. The Tuntentinte was created in a pre-internet era when contributions had to be submitted either on diskette or handwritten. From No. 7 onwards, texts could also be sent in by e-mail. From 1998 onwards there was also Tuntex (Tunten verschicken Texte – Fags send texts), a mailing list run from Amsterdam for exchanges in between Homolandweeks.

Precisely because Tuntentinte came into being in a pre-internet era and was created for a very small scene that tended to be manageable, not much thought was given to data protection. We as a blog, on the other hand, have made bank details and private addresses unrecognizable and pixelated the faces of photo love stories. After all, the people are still alive today and should not suffer any unpleasant consequences.

By the way, the fact that the Tuntentinte can now be found on the net disproves the assumption of some that one can find “just about anything” on the internet. This is a fallacy; all the more so when it comes to gray literature from social movements. There is so much (still) not online.

We as the Tuntentinte blog make the issues of Tuntentinte available because we think they are great and important! In our opinion, many topics and debates have not lost their topicality. We find some of the issues downright legendary, such as the focus issue on dealing with perpetrators, which was immediately out of print at the time, or the issue on eroticism and pornography, which is a milestone of emancipatory discussion on these topics. The former issue is particularly noteworthy, not least because before the time of blogs and web 2.0, all authors were sent all texts in advance. Because of this, they could react to them, and all this was printed in the issue. So, the original texts were not smoothed over, but the discussion around them was made transparent. Fantastic.

A few years ago, we already put the Männerrundbrief (men’s circular), the heterosexual counterpart to the Tuntentinte, online, and were also interested in countering right-wing narratives with a critical discussion about masculinity. This intention is to be continued by putting the Tuntentinte online. The texts collected on this blog come from a decidedly radical left-wing gay movement that discussed “queer” very early on, wanted to smash the patriarchy, included a Gay Antifa, and had a healthy skepticism towards identitarian references. Critical discussions around sexuality and masculinity are linked to the desire for emancipation and liberation, and represent an important counterpoint against right-wing, masculi(ni)st, anti-feminist, antique, and conservative constrictions.

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My lipstick is more important than Germany

This blog features an interview conducted in late 2021 with two ex-editors and a personal retrospective by a reader interested at the time. The issues of Tuntentinte themselves can be downloaded here, and you can find further links here. As a special treat we have put online the reader of the 2nd meeting of Anarchy and Sensuality, which took place in Berlin in February 1988. Something about the background of these nationwide meetings can also be found in Tuntentinte 18 on p. 12.

If you have a personal contribution to the Tuntentinte, please feel free to send it to us – we would be happy to hear from you! If you have any info on publication dates where we are not sure, have additional copies of Tuntentinte extrakt or electronic, find spelling mistakes, or if you have any other feedback for us: please write to us!

Last but not least, we would like to ask you to spread the word about this blog. We don't have the capacity and reach to do that.

Merci and see you soon

Blog Tuntentinte

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